Die Geschichte der Schrift 1. Einleitung Informationen zu fixieren ist für den modernen Menschen gleichbedeutend, mit "etwas aufschreiben". Dieses Aufschreiben kann etwas Handschriftliches sein, das Eintippen eines Textes auf der Tastatur eines Computers, auf dessen Bildschirm das Geschriebene erscheint, was man nach Wunsch speichern kann. Die Verwendung von Schrift ist bis heute das wichtigste Mittel geblieben, die beständig anwachsende Informationsflut zu verarbeiten. Der Mensch braucht die gesprochene Sprache, um Gemeinschaften zu bilden und Netzwerke kultureller Beziehungen zu schaffen. Das Schreiben ist erforderlich, um höhere kulturelle Organisationsformen menschlicher Gemeinschaften zu ermöglichen und zu erhalten. Von der Gesamtzahl aller lebenden Sprachen der Welt sind nur 13% verschriftet. Zu den Schriftsprachen gehören alle Weltsprachen, deren Sprecher zusammen 60% der Weltbevölkerung ausmachen. Dies bedeutet konkret, dass die Schriftkultur bei den meisten Bewohnern unseres Planeten verbreitet ist. Heute gehört es zu
den Selbstverständlichkeiten des Alltagslebens eines Europäers,
Wörter mit Buchstaben wiederzugeben. Doch die Ausbildung eines
Alphabets war ein langer und enorm komplizierter Prozess. Für die Menschen, die das Kulturgut Schrift ebenso fasziniert wie uns, und die einiges mehr über deren Geschichte erfahren möchten, folgt nun eine zusammenfassende Beschreibung der Entwicklung der Schrift, vor allem der europäischen. Die Informationen wurden aus dem Buch Universalgeschichte der Schrift von Harald Haarmann, Zweitausendeins ausgewählt, welches einen umfassenden Eindruck über eine Vielzahl von Schriftsystemen sowie neue Forschungsergebnisse gibt. 2. Bilder und Symbole zurück Bevor der Mensch schreiben
lernte, drückte er seine Gedanken in Bildern aus. Bilder auf
Stein gehören zu den frühesten Manifestationen der menschlichen
Kreativität. Als Beispiele für
steinzeitliche Felsbilder sind die Bildkompositionen in den Höhlen
von Altamira (Spanien) und Lascaux (Frankreich) genannt. 3. Religion und Zivilisation zurück Die Verwendung von Schrift hat etwas mit Zivilisation zu tun. Es ist leicht einzusehen, dass die Verwendung von Schrift bestimmte gesellschaftliche Bedingungen voraussetzt. Dazu gehören der Aufbau einer kommunalen Organisation, eine fortgeschrittene Arbeitsteilung sowie eine soziale Differenzierung der Bevölkerung, außerdem spirituelle Vorstellungen, die es erlauben, alle kulturellen Aktivitäten in den Rahmen eines Weltbildeseinzuordnen. Dies sind jedenfalls die Bedingungen, die auf die Hochkulturen des Altertums zutreffen, in denen die Idee der Schrift entstanden ist. In allen Fällen handelt es sich um eine ansässige, Ackerbau treibende Bevölkerung, die in festen Siedlungen lebte. Es ist naheliegend, eine
"moderne" Begründung für die frühe Schriftverwendung
in der Notwendigkeit zu suchen, eine beständig zunehmende Fülle
an Informationen zu bewältigen. Gesetzestexte und Urkunden mussten
aufgezeichnet, Chroniken geschrieben sowie Gesänge und Erzählungen
festgehalten werden. Aber die historische Realität ist eine andere,
die Motivation, eine Schrift zu entwickeln ist nirgendwo weltlicher
Art. Die alteuropäische Zivilisation findet ihre Wurzeln in der jüngeren Steinzeit, dem Neolithikum . Um die Wende vom 7. zum 6. Jahrtausend hatten sich bereits fünf Regionalkulturen herausgebildet, die sich durch fortgeschrittene Keramikherstellung sowie durch religiöses Brauchtum vom übrigen Europa deutlich unterschieden. Hierzu gehören die Gebiete um die Ägäis und des mittleren Balkan, die Region der südlichen Adria, an der mittleren Donau, des Ostbalkangebiets und der Moldau, das bis zur westlichen Ukraine reichte. Dieses Arial ist als Vinca-Kultur bekannt geworden. Die Siedlungen waren groß und bedeckten eine Fläche von zehn oder mehr Hektar. Zwischen dem alteuropäischen
Kulturkreis und Anatolien findet man eine Reihe von Parallelen, die
auf eine gemeinsame Entwicklungsperiode im Neolithikum hindeuten.
Besonders auffällig sind gemeinsame Motive in der religiösen
Symbolik. Es sind weibliche Idole mit ausgeprägten Attributen,
wie Brüste und Hüften gefunden worden. Diese standen im
Zusammenhang mit der großen Muttergottheit. Ebenso hatte der
Stier eine religiösen-kultische Bedeutung. Prinzipiell ist davon auszugehen,
dass die Idee, Schrift zu verwenden, unabhängig in verschiedenen
Kulturen und zu verschiedenen Zeiten entstehen kann. Dies gilt in
jedem Fall für Alteuropa, Altchina und für das präkolumbianische
Mittelamerika. Ebenso dienten in Ägypten die Hieroglyphen als Zeremonialschrift der Verherrlichung des Gottkönigtums. Die Versuche der Priester in vordynastischer Zeit geeignete Schriftträger zu finden und die Normierung eines Zeichenbestandes für den Schriftsprachgebrauch sind eingebunden in die allgemeine Zweckbestimmung der Lebenden, nämlich die des Gottesdienstes. In China hat sich eine eigenständige Schrift entwickelt. Die ältesten Dokumente stammen aus dem 13. Jahrhundert v. Chr. Unter anderem fand man Tausende von beschrifteten Knochen und Schildkrötenschalen. Die Knochen, zumeist beschriftete Schulterblätter von Hirschen oder Ochsen hatten etwas mit magischen Ritualen zu tun. Auch aus der Induskultur, die zwischen 2600 v. Chr. Und der Mitte des 2. Jahrtausends blühte sind Hunderte von Inschriften erhalten, die sich alle auf Siegeln befinden, die wie in anderen Hochkulturen einem zeremoniell-repräsentativen oder mystisch-religiösen Zweck dienten. Die ursprüngliche Motivation, Schrift zu schaffen und zu verwenden, ist magisch-religiös begründet und speist sich aus der gleichen Quelle, die auch für die Entstehung steinzeitlicher Felsbilder verantwortlich ist.
4. Schreibtraditionen zurück Wenn man die Schriftsysteme,
die in Geschichte und Gegenwart geschaffen und verwendet wurden, miteinander
vergleicht, so fällt auf, dass die Anzahl der Schriftsymbole
in einzelnen graphischen Systemen recht verschieden sein kann. Das die Menschen in einer
Sprachgemeinschaft an ihrer Schrifttradition festhalten, liegt an
der Gewohnheit und Vertrautheit mit einem Kulturmuster, in dem die
Angehörigen aller Generationen ihre Identität finden. Wenn
in einer Sprachgemeinschaft dennoch ein Schriftwechsel stattfindet,
gibt es dafür zwingende gesellschaftliche sowie politische Gründe.
Ein Beispiel dafür ist die Türkei, die im vorigen Jahrhundert
vom arabischen zum lateinischen überwechselte. Dieser Vorgang
symbolisiert die Überwindung einer islamisch orientierten Gesellschaftsordnung
und den Aufbruch in eine moderne Zeit nach dem Vorbild europäischer
Staaten. Die arabische Schrift verschwand aus dem öffentlichen
Leben, blieb aber in der islamischen Geistlichkeit im Gebrauch, denn
die Schrift des Koran war und bleibt arabisch. Die Schriftzeichen sind
ein Abbild der jeweiligen Kultur. Tiergestalten haben immer
ein wichtiges Symbol. Darunter sind solche, die auch in der Moderne
nicht an Attraktivität verloren haben. So schmückt der Löwe
heute das Staatswappen Finnlands, der Adler ist bei den Deutschen
als Wappentier lebendig. Der Adler gehört aber auch als Symbol
in alle präkolumbianischen Hochkulturen, von Mexiko bis Peru.
5. Begriff und Wort zurück Die ältesten Entwicklungsstufen der Logographie, wie sie beispielsweise aus dem sumerischen Kulturkreis überliefert sind, lassen noch deutliche Beziehungen zur Bildtechnik erkennen. Im Anfangsstadium der Schrift gab es noch fließende Übergänge zwischen der schriftlichen Fixierung von Gedanken, die unter Umständen auch durch mehrere Wörter ausgedrückt wurden (Typ der Ideenschrift), und der Schreibung von Einzelwörtern (Typ der Wortschrift). Was die Übergangsform einer kombinierten Ideen- und Wortschrift mit dem Typ der Bilderzählung verbindet, ist der Umstand, dass eine genaue Kenntnis der Grammatik nicht erforderlich ist. Um eine solche Schrift zu lesen, muss man nicht unbedingt die Sprache kennen, da der Sinn aus den Bildern zu entnehmen ist. Zahlreiche archäologische Funde , wobei die ältesten beschrifteten Tontafeln aus dem ausgehenden 4. Jahrtausend v. Chr. Stammen, wurden in Mesopotamien dokumentiert. Auf einer der sogenannten Buchungstafeln erkennt man die Verbindung von Ideogrammen (Wortbildzeichen) mit Einheiten des sumerischen Zahlensystems. Einfache Bildzeichen (altsumerische Piktogramme) machen den größten Teil der alten Schriftsymbole aus. Ein halbes Jahrtausend wurde diese Wortschrift verwendet, was aber nicht heißt, dass jedes Wort schriftlich festgehalten worden wäre. Vielmehr wurden nur diejenigen Ausdrücke geschrieben, die für den gegebenen Kontext wichtig waren. Aus dem Anfangsstadium der sumerischen Schrift sind bis 1800 Einzelsymbole bekannt, die sich aber im Laufe der Jahre immer mehr reduzierten. Um 2550 v. Chr. geben die Schriftzeichen schon Grundelemente der sumerischen Lautstruktur wieder. Parallel zur Vereinfachung der Schriftzeichen wurde auch die Schreibtechnik revolutioniert. In der archaischen Phase der Schriftverwendung wurde mit einem spitzen Griffel geschrieben. Ein bequemeres Schreiben erzielte man, in dem man die Tontafeln, auf die geschrieben wurden, um 90° drehte. Um die Mitte des 3. Jahrtausend v. Chr. wurde mit verschiedenen Schreibgriffeln experimentiert. Dabei setze sich ein Griffel mit stumpfer Form durch. Mit dessen Hilfe wurden keine Zeichen mehr in den Ton geritzt, sondern durch Schrägstellung des Griffels in den Ton eingedrückt. Nun waren die Formen der Schriftzeichen eckig. Der charakteristische Abdruck war ein Keil, nach dem der Schrifttyp als Keilschrift bezeichnet wird. Diese Stilisierung lässt keine figürlichen Assoziation zu. Zwischen 1800 und 1700 v. Chr. werden die meisten altbabilonisch-sumerischen Texte in einer Silbenschrift festgehalten. Die Verwendung von Wortbildzeichen wird durch die Keilschrift als eigener Schrifttyp abgelöst. Zwischen den sumerischen Stadtstaaten und den Zentren der Induszivilisation gab es frühe Kontakte. Ein reiches bildmäßige Potential bildet sich auch hier heraus, wobei die Schreibweise nach dem Schlagwortprinzip eine auffällige Parallele zur altsumerischen Schreibweise erkennen lässt. Die chinesische Tradition
setzt ein, als die Indus-Schrift bereits außer Gebrauch war.
Sie wird mit Sicherheit als eine Eigenentwicklung angesehen. Ebenso
vermutet man auch für Altkreta eine eigenständige Entwicklung,
weil sich seine Logographie sehr von den zeitgenössischen phonographischen
Systemen unterschied. Doch auch die kretische Hieroglyphenschrift
kommt außer Gebrauch und ihr Schrifttum gerät in Vergessenheit.
Die Auflösung der kretischen Schriftkultur fällt etwa in
die gleiche Periode wie der gewaltsame Bruch in der indischen Schrifttradition.
Um 1500 v. Chr. werden in Kreta keine Hieroglyphen mehr verwendet,
Indien fällt in ein schriftloses Entwicklungsstadium zurück
und die Babylonier, die schon fast tausend Jahre die Keilschrift verwenden,
wissen nichts mehr von der altsumerischen Wortschrift. Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass das logographische Prinzip der Schrift auch in Europa gilt, als Zusatzkomponente aller modernen Alphabetschriften. Auf der Tastatur des PC findet man eine Reihe logographischer Symbole (! § % & / = ? * + - ) Dies ist nur ein Bruchteil des Inventars an bildlichen oder abstrakt-geometrischen Symbolen. Die Mehrzahl der Zeichen vermittelt die Information ohne die Beteiligung von Sprache. Auf den modernen Menschen wirken viele abstrakte Symbole ein, im Mathematikunterricht, bei der Wettervorhersage im Fernsehen oder im Berufsleben. 6. Wort und Silbe zurück Silben- und Segmentalschriften
sind Varianten einer Schreibweise , die sich an der Lautung von Wörtern
orientiert. Gegenüber der Logographie kommen diese Schriften
mit wesendlich weniger Schriftzeichen aus. Doch überall wo im
Altertum Silbenschriften entstanden sind, gab es vorher Varianten
der Wortschriften. Wo sich kein Entwicklungsgang von der Logographie
zur Phonographie nachweisen lässt, handelt es sich um eine Beeinflussung
von außen. Viele Europäer betrachten bis heute das klassische Griechenland als Wiege der europäischen Zivilisation, und sie halten die Einführung des Alphabets durch die Griechen für die erste Chance der Europäer, historisches Licht in das Dunkel der abendländischen Vorgeschichte zu werfen. Dabei ist es nur eine Laune der Geschichte, dass sich der griechisch-römische Kulturkreis nicht auf Linear B oder eine Variante dieses Schriftsystems als Kulturträger gestützt hat. Der Eindruck, das sich
silbische Schreibweisen als Erscheinungsformen einer älteren
Phase der Schriftgeschichte überlebt haben, ist insofern zutreffend,
als keine Silbenschrift der Antike in der Auseinandersetzung mit den
späteren Alphabetschriften übrig geblieben ist. 7. Buchstabe und Laut zurück Der Entwicklungssprung zu den Alphabetschriften ist groß, und wäre sie kontinuierlich aus Silbenschriften weiterentwickelt worden, dürfte man mit großen Zeiträumen rechnen. Die Schaffung einer vollkommenen Buchstabenschrift hat sich aus Vor- und Übergangsstufen entwickelt. Die Anfänge der modernen Alphabetschrift setzt man in der ersten Hälfe des 2. Jahrtausend v. Chr. im syrisch-palästinischen Gebiet an. Das dortige Schriftsystem wurde für verschiedene semitische Sprachen verwendet. Von diesen ist das Phönizische die wichtigste, denn die Schriftvarianten, in denen Texte dieser Sprache aufgezeichnet wurden, spielen für die Verbreitung und Fortentwicklung der Alphabetschrift eine Schlüsselrolle. Der Charakter dieser ältesten bekannten Schrift der Phönizier ist der einer Silbenschrift mit verschiedenen Konsonantenbezeichnungen. Bei den ältesten Schriftzeugnissen, die eindeutig in einer Buchstabenschrift abgefasst sind, handelt es sich um eine Inschrift und zwei Inschriftenfragment, die zwischen den 13. und 10. Jahrhundert datiert werden. Antike Autoren suchten
den Ursprung der Buchstabenschrift auch in Ägypten oder Kreta.
Heute geht man nicht mehr davon aus, das Alphabet aus einer einzigen
Schriftquelle zu erklären. Viel wahrscheinlicher ist es sich
eine multikulturelle Beeinflussung vorzustellen. Es gibt viele Ähnlichkeiten
zwischen phönizischen und kretischen Schriftzeichen. Im kulturellen
Schmelztiegel des Nahen Ostens in der Hälfte des
2. Jahrtausends v. Chr. wurde eine Aktivität entwickelt, die
zum Experiment der Buchstabenschrift führte. In der kulturgeschichtlichen
Betrachtung wird die Entwicklung der griechischen Schrift in einen
engen Zusammenhang mit der lateinisch-römischen Schriftkultur
gestellt. Viele Millionen Menschen sind heutzutage die Schriftzeichen des klassischen lateinischen Alphabets geläufig, weil damit Hunderte von Sprachen geschrieben werden. Die Entwicklung des Alphabets von der phönizischen Buchstabenschrift zur Lateinschrift war ein langwieriger Prozess, der sich über einen Zeitraum von mehr als tausend Jahren und über mehrere Vermittlungsstufen hinzog. Die Ausbreitung der Lateinschrift über Europa und andere Kontinente der Ede seit der Zeit der römischen Klassik war im Unterschied dazu geradlinig, denn das lateinische Alphabet entpuppte sich als konsequente Begleiterscheinung des römischen Kulturerbes. 8. Kulturaustausch zurück Schrift ist eine Technologie mit einer durchschlagenden Breitenwirkung auf die geistig-kulturelle Entwicklung der Menschheit. Ihre Bedeutung muss verglichen werden mit der Revolutionierung des Ackerbaus durch die Verwendung des Eisenflugs oder der Rolle der Keramikherstellung für die Intensivierung der Hauswirtschaft. Effektive Technologien haben eines gemeinsam: sie verbreiten sich schnell, und zwar über beliebige Kultur- und Sprachgrenzen hinweg. Man geht heute davon aus, dass die Schrift an verschiedenen Orten, zu verschiedenen Zeiten und voneinander unabhängigen Kulturkreisen entstanden sind und die Idee der Schrift latent in allen menschlichen Gemeinschaften existiert. Dies schließt wiederum nicht aus, dass zwischen einigen dieser Zivilisationen bereits in sehr alter Zeit Verbindungen bestanden haben. Prähistorische Kontakte zwischen Mesopotamien und Ägypten gelten als sicher. Auch die Sumerer und die Träger der Indus-Kultur unterhielten Handelsbeziehungen. Einiges spricht für Berührungen zwischen Alteuropa und dem Vorderen Orient in sehr alter Zeit. Die Evolution der Bildtechnik in Form der Bildererzählungen und die Entwicklung eines hieroglyphischen Schriftsystems bei den Olmeken, Maya und Azteken erfolgte ohne Beeinflussung von außen. Wenn Schriftsysteme von
verschiedenen Regionen aus in verschieden Richtungen ausstrahlen,
kreuzen sich deren kulturelle Einflüsse irgendwo. Es kommt zu
Kontakt von verschiedenen Schriftarten in der selben Region. Dabei
genießen die verschiedenen miteinander rivalisierenden Schriftarten
unterschiedliches Prestige. Ein System setzt sich auf Kosten des anderen
durch. In der Konfrontation mit
dem Kulturgut Schrift sind vielfältige Kontaktphänomene
entstanden: Übernahme und Anpassung von Schrift (z.B. Lateinschrift
in Westeuropa),
Die Geschichte des Schreibens
beginnt vor 7000 Jahren. Bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts
war die Schrift das wichtigste Medium der Informationsverarbeitung
in aller Welt. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat
sich die Informationsverarbeitung immer mehr auf nichtschriftliche
Systeme verlagert. Die rasante Entwicklung der Computertechnologie
hat die in vielen Jahrhunderten gewachsene Kapazität der Schrift
in wenigen Jahren überflügelt und leistet heute mehr an
Datenverarbeitung, als es die Schrift je könnte. Man kann die Uhr der Geschichte nicht anhalten. Die elektronische Datenverarbeitung ist unverzichtbar geworden. Sie steht auch nicht im Widerstreit zur den kulturellen Leistungen der Schrift. Der Mensch hat zwar Systeme der nichtschriftlichen Datenfixierung erfunden, er braucht aber weiter die Schrift, um Daten einzugeben und gewonnene Informationen verfügbar zu machen. Kein Analphabet kann einen Computer programmieren oder bedienen. Die Schriftkultur erlebt heutzutage einen tiefgreifenden Wandel ihrer Funktion und Anwendungsbereiche. Man sollte sich der Symbiose von Schrift und Computer bewusst sein. Im Vertrauen in die zukünftige Leistungskraft des Kulturträgers "Schrift" werden die modernen Menschen die neuen technologischen Verhältnisse ihrer Lebensweise anpassen und eine sinnvolle Beziehung zu den Traditionen der eigenen Zivilisation finden.
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